Stammtisch im Mai im Tischlereimuseum in Friedrichstadt
Zu Beginn unseres Stammtisches hatten wir uns einer traurigen Pflicht zu unterziehen, in dem wir unseres verstorbenen Klaus Rohde gedachten. Randolf Pohl verlas in der Gedenkminute den von ihm verfassten und hier veröffentlichen Nachruf. Der weitere Verlauf des Treffens war dann dem Thema Fertigung von Schreibgeräten gewidmet, welches seit einigen Jahren bei Drechslern sehr beliebt ist. Was lag da also näher, als sich bei einem unserer Stammtische einmal mit diesem Thema zu beschäftigen. Allerdings sollte es nicht um die praktische Fertigung an der Drechselbank gehen, sondern um die theoretische Beschäftigung mit der Materie. Ulli Sauer, prädestiniert für dieses Thema durch eigene jahrelange Erfahrungen in der Herstellung, hatte sich erboten, hierüber ein Referat zu halten.
Mit Unterstützung der hauseigenen Technik und seines Notebooks verstand Ulli es, uns das Thema aufgrund seiner Erfahrungen und Sachkunde in Wort und Bild sehr anschaulich und für alle verständlich nahe zu bringen. Die Pausen wurden natürlich auch wieder genutzt, Drechselobjekte herumzureichen und zu besprechen. Wegen des interessanten Themas verging die Zeit mal wieder viel zu schnell, so dass die aufgenommene Theorie nicht mehr in die Praxis umgesetzt werden konnte. Dies soll dann beim nächsten Treffen am 03.07.2010 an gleicher Stelle geschehen.
Jetzt zum Inhalt des Referats:
Zu Beginn ging es um die Zielgruppenbestimmung. Wer kauft eigentlich so einen Schreiber, der sich nicht nur durch sein Äußeres sondern auch durch seinen Preis deutlich von industriellen Massenprodukten absetzt? Interessant dazu auch die Beobachtung in Schleswig-Holstein von Ulli aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung: im ländlichen Bereich ist das Interesse eher gering. Am besten lassen sich solche Schreiber auf Kunsthandwerkermärkten in großstadtnahen Bereich, wie dem Hamburger Speckgürtel, absetzen. Über eine Schreibgerätematrix, in der die Schreiber hinsichtlich ihrer Technik unterschieden wurden (Kugelschreiber, Rollerball, Füller, Bleistift) und der Frage, zu welchem Zweck wir Schreiber fertigen, ging es dann um die Frage des Holzes und seiner Behandlung für Schreibgeräte.
Bei den Hölzern, von denen Muster herumgezeigt wurden, können sowohl heimische als auch tropische verwendet werden. Wichtig ist nur, dass sie möglichst feinporig sind und eine gewisse Festigkeit aufweisen. Außerdem sind auffällige Maserungen oder auch zufällige interessanten Faserverläufe zu bevorzugen, weil sie aufgrund der geringen Größe des Objekts dessen Individualität hervorheben und verstärken. Einen etwas breiteren Raum nahmen Fragen der Holzaufbereitung, der Lagerung und Trocknung ein. Dabei ergab sich die verblüffende Erkenntnis, dass praktisch jeder eine Trockenkammer im Hause hat.
Man nehme eine etwas größere Plastikbox mit Deckel, lagere die vorbereiteten Hölzer mit einem gewissen Abstand vom Boden in der Box, verschließe sie mit dem Deckel und stelle sie in die Sonne. Das sich in den nächsten Stunden an den Wandungen niederschlagende Kondensat wird von Zeit zu Zeit ausgewischt. Erreicht ist ein für Schreibgeräte akzeptabler Trocknungsgrad bei einer restlichen Holzfeuchte von unter 10%. Eine weitere Möglichkeit ist die Trocknung in mehreren Gängen in der Mikrowelle und zum Erstaunen der Zuhörer berichtete der Referent auch von guten Ergebnissen beim Frittieren oder beim Kochen in Öl. Gerade letztere Verfahren geben dem Holz einen feinen seidigen Glanz und eine gute Geschmeidigkeit bei der Verarbeitung.
Anbieter von Schreibgeräte-Bausätzen und Zubehör gibt es inzwischen in der Bundesrepublik eine ganze Anzahl. So gut wie jeder Versender von Drechseltechnik bietet sie inzwischen an. Aber auch EU-weit wie z. B. in England und in den USA wird man fündig. Dabei muss man wissen, dass mit wenigen Ausnahmen die Bausätze in Fernost hergestellt werden. Die Bestellung von Bausätzen, selbst in England oder USA ist relativ problemlos. Zu entscheiden ist lediglich, ob man Schreiber in größeren Stückzahlen produzieren oder gelegentlich auch mal einen oder mehrere Schreiber herstellen will. Bei ersterem lohnt sicherlich eine Recherche im Internet, um die Bausätze möglichst preisgünstig erwerben zu können.
Etwas technischer wurde es beim Thema der Holzaufbereitung für die Produktion. Sofern nicht schon vorher geschehen werden die Kanteln nach der Trocknung zunächst zugesägt. Die Dicke der Kanteln richtet sich sowohl nach dem Umfang des Bausatzes als auch der gewünschten Form. Als gutes Standardmaß hat sich ein quadratischer Querschnitt von 20 x 20 mm herausgestellt. Die Länge des Penblanks wird bestimmt durch die Länge des Bausatzes. Der Rohling wird mittig so groß aufgebohrt, dass sich die Messinghülse des Bausatzes „saugend“, aber ohne Gewaltanwendung in das Loch einschieben lässt. Bei der Wahl der Bohrer und der Bohrmethode scheiden sich die Geister. Einige schwören auf Parabolic-Bohrer und das Bohren auf der Drechselbank, andere wiederum auf HSS- oder sogar HSSE-Bohrer und das Bohren in der Ständerbohrmaschine. Bei weicheren Hölzern ist auch u. U. das Ruhen des Rohlings angebracht, damit sich die beim Bohren zur Seite gedrängten Holzfasern wieder entspannen können. Erst dann sollte man mit einem geringfügig größeren Bohrer erneut nachbohren.
Dann geht es an das Einkleben der Messinghülsen. Kleber gibt es inzwischen ebenfalls in großer Anzahl auf dem Markt. Bewährt haben sich z. B. Einkomponenten- oder Zweikomponenten-Kleber aus Epoxidharz. Vielfach verwendet werden aber auch dickflüssige Sorten Cyanoacrylat-Kleber (Sekundenkleber). Die Kleber sollten in relativ kurzer Zeit eine Festigkeit ergeben, die das Weiterarbeiten ermöglichen. Beim Einkleben kommt eine Kartoffel als wichtiges Hilfsmittel zum Einsatz. Die Hülse kurz in eine Kartoffelscheibe eingedrückt ergibt einen Pfropf, der das Eindringen von Kleber verhindert. Die Hülse wird kurz in das Bohrloch eingeführt, der Kleber über etwa 2/3 der Restlänge aufgetragen und die Hülse mit schraubender Bewegung bis kurz vor dem Ende eingeschoben. Überschüssigen Kleber wischt man mit einem mit Aceton befeuchteten Lappen ab und schiebt die Hülse vollständig ein.
Sowohl für das Bohren als auch für das Drehen gibt es verschiedene Fertigungshilfen. Beim Drehen hat sich der Einsatz eines Mandrels bewährt. Dieses gibt es in verschiedenen Ausführungen im Fachhandel. Auf das Mandrel werden Ringe aufgeschoben, die in die Messinghülse des Bausatzes passen und mit denen der Rohling mittels der auf das kurze Gewinde am Ende aufgeschraubten Mutter festgeklemmt wird. Diese Ringe sollten in der erforderlichen Größe mitbestellt, können aber natürlich auch aus Holz oder Metall selbst gefertigt werden. Ist der Rohling in Form gebracht, wird er geschliffen. Dabei ist ein Schliff bis Körnung 240 völlig ausreichend. Viel wichtiger ist es, den Rohling auch in der Längsrichtung zu glätten.
Danach erfolgt die Behandlung mit einem Oberflächenmittel. Bei der Auswahl sollte darauf geachtet werden, dass es die natürliche Schönheit des Holzes unterstreicht und – vor allem bei größeren Stückzahlen – möglichst schnell trocknet und entweder aufgrund seiner Eigenschaften oder durch Polieren Glanz erzeugt. Wünschenswert ist auch, dass das Mittel eine gewisse Resistenz gegen Fingerschweiß hat. Auch hier gibt es inzwischen eine große Anzahl von Mitteln auf dem Markt und jeder Drechsler hat sicherlich seinen Favoriten, auf den er jeweils zurückgreift.
Kritisch in der Verarbeitung sind z. B. Ebenholz oder Schlangenholz oder palisanderartige Hölzer. Grund hierfür ist, dass die Durchtrockung aufgrund der Dichte der Hölzer schwierig zu erreichen ist. Außerdem können nach der Verarbeitung durch Feuchtigkeitsveränderungen wie z. b. feuchte Hände, Sonneneinstrahlung, geringe Raumfeuchte etc. Spannungsrisse auftreten. Weitgehend verhindern lässt sich das nur durch Innenkonservierung z. b. mit Epoxidharz und eine Außenlackierung z. B. mit Acryl.
Über die zu erwerbenden Bausätze ist schon gesprochen worden. Ebenso ist es möglich, sehr preisgünstige Reklameschreiber oder Massenprodukte aus Metall zu verwenden, um sie mit Holz zu veredeln. Wer gleichzeitig in der Lage ist, Metall zu verarbeiten, kann natürlich auch an die Eigenentwicklung von Teilen der Bausätze denken. Entsprechende Maschinen und Werkzeuge vorausgesetzt kann letztendlich auch eine komplette Eigenfertigung der Mechanik erfolgen. Die Formgebung im Holz richtet sich dabei im Wesentlichen nach dem Bausatz. Sind für die Mechanik z. B. zwei Hülsen erforderlich, ist der Außendurchmesser der Metallspitze, des Mittelrings und des oberen Rings, eventuell für einen Clip, zu beachten. Benötigt man für den Bausatz nur eine Hülse, dann sind ganz andere schlanke oder gedrungene Formen möglich. Ist ein Clip vorgesehen, ergibt es eher einen Stift für die Jackett- oder Handtasche. Falls nicht, kann dies ein Stift nur für den Schreibtisch werden, eventuell ergänzt um einen gedrechselten Ständer.
Abschließend kann gesagt werden, dass die Fertigung von Schreibgeräten losgelöst vom Verkaufsgedanken der Kreativität des Drechslers einen breiten Raum eröffnet, weil die Kombinationsmöglichkeiten von Holzart und Formgebung trotz einer strengen Bindung an die verwendete Technik schier unerschöpflich scheinen. Dabei wird der Drechsler nicht so sehr hinsichtlich seines drechslerischen Könnens gefordert. Es ist das Zusammenspiel von sauberer Holzverarbeitung und anspruchsvoller feinmechanischer Technik, die gemeinsam etwas ergeben, was einmalig und unverwechselbar ist. Wer seinen ersten selbst gebauten Schreiber in Händen hält, weiß, wovon ich rede.